Rufname: Emil

26.03.1902 in Herford - 31.07.1943 in der Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar

Religionszu­gehörigkeit: evangelisch
Eltern: Emma Bojahr, geb. Thielker (geb. 01.01.1869 in Bochum) und Emil Bojahr (geb. 19.11.1859 in Gelsenkirchen-Schenfelsdorf - 24.10.1906, Prediger, Pastor einer Baptistengemeinde)
Geschwister: Hedwig Bojahr (geb. 12.03.1890 in Bochum-Eppendorf, Köchin),
Wilhelm Bojahr (geb. 22.12.1891, Ziegler),
Walter Bojahr (geb. 31.03.1892 in Bochum-Eppendorf, Ziegler, Verwalter),
Paul Bojahr (geb. 16.09.1893 in Bochum-Eppendorf),
Emma Bojahr (geb. 27.09.1896 in Bochum),
Martha Bojahr (geb. 23.05.1900 in Bochum),
Else Bojahr (geb. 30.04.1905 in Herford - 29.10.1947),
Elfriede Bojahr (geb. 10.11.1918)
Beruf: Elektromonteur

 

Wohnorte: Herford, Göbenstr. 248
[...] 04.1904 Herford, D[...] 19
04.04.1905 Herford, Am Hang 3
Heidenoldendorf Nr. 187
23.10.1925 Vlotho
10.02.1926 Heidenoldendorf Nr. 187
07.08.1933 nach Amerika abgemeldet [sic !]

 

Emil Bojahr war der Sohn eines Baptistenpredigers und wuchs in einer kinderreichen Familie mit acht Geschwistern auf. Seine ersten Lebensjahre verbrachte er in Herford, bevor die Familie nach Heidenoldendorf (heute Detmold) zog. Er absolvierte eine Ausbildung zum Elektromonteur und arbeitete auch einige Zeit in seinem Beruf. Emil Bojahr litt an einer psychischen Erkrankung. Die fraglichen Quellen geben keine Auskunft darüber, wann die Krankheit erstmals diagnostiziert wurde, und auch das Datum seiner Einweisung in die Heil- und Pflegeanstalt Lindenhaus ist nicht dokumentiert. Belegt ist hingegen seine Verlegung am 16. März 1933 aus dem Lindenhaus in die Provinzialheilanstalt Gütersloh. Bezeichnenderweise wurde in den Meldeunterlagen der Stadt Detmold noch mit Datum des 7. August 1933 seine Abmeldung nach Amerika eingetragen. Zu diesem Zeitpunkt war Emil Bojahr allerdings bereits seit einigen Monaten stationär in Gütersloh untergebracht.1

Neun Jahre später wurde er am 7. Februar 1942 von dort in die Provinzialheilanstalt Dortmund-Aplerbeck verlegt und am 24. Juni 1943 in die Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar des Bezirksverbandes Oberbayern gebracht. Laut des dortigen Jahresberichtes für das Jahr 1943 wurden "von den in besonders luftgefährdeten Gebieten liegenden Anstalten Dortmund-Aplerbeck und Hausen im Juni und Juli 220 bzw. 210 größtenteils sehr pflegebedürftige männliche Kranke übernommen", zu denen auch Emil Bojahr gehörte.

Für viele der Patienten endete in Eglfing-Haar ihr Leidensweg. Denn seit dem 30. November 1942 waren mit dem sog. Hungerkosterlass des Bayerischen Staatministerium des Innern in den Bayerischen Heil- und Pflegeanstalten für "nicht produktiv arbeitende" und pflegebedürftige Patienten eine sog. Sonderkost eingeführt worden. Durch den gezielten Nahrungsentzug sollte der Tod der Kranken bewusst herbeigeführt werden. In der Heil- und Pflegeanstalt in Eglfing-Haar wurden in Folge des "Hungerkosterlasses" zwei Krankenpavillons zu "Hungerhäusern" umfunktioniert, Haus 22 für Frauen und Haus 25 für Männer, in denen den Kranken eine fett- und proteinarme Kost verabreicht wurde. Die Mangelernährung führte zu einer körperlichen Schwächung, durch die die ohnehin desolaten und vernachlässigten Patienten schneller an einer Lungentuberkulose erkrankten und daran starben. Diese Diagnose ermöglichte den Ärzten, in den Leichenschauscheinen eine vorgeblich natürliche Todesursache einzutragen. In Eglfing-Haar wurde die Durchführung der "Sonderkost" durch den Direktor Hermann Pfannmüller persönlich überwacht und kontrolliert. Gelegentlich ordnete dieser auch an, den Tod durch die Verabreichung starker Schlafmittel zu beschleunigen.

Emil Bojahr starb am 31. Juli 1943 im Alter von 41 Jahren nach nur einer Woche im "Hungerhaus 25". Als offizielle Todesursache wurde Tuberkulose angegeben. Emil Bojahr gehört durch die willentliche, absichtsvolle Herbeiführung seines Todes durch Unterlassung, Vernachlässigung und gezielten Nahrungsentzug zu den Opfern der dezentralen "Euthanasie".

1 Laut www.ancestry.com finden sich auf einer Passagierlisten (1820-1957) nach New York mehrere Personen mit Namen Bojahr, so auch ein Emil Bojahr. Die Identität ist jedoch ungeklärt.

   

QUELLEN: StdA DT MK; LWL-Archivamt für Westfalen Best. 661 Nr. 180; KAH; Archiv des Bezirks Oberbayern, München

LITERATUR: Stockdreher (1999), Tiedemann, Hohendorf, von Cranach (2018), Walter (1996)

 

 

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DOKUMENTE

 

Dokument 1

Einwohnermeldekarte für Emil Bojahr (StdA DT MK)

 

Dokument 2

Einwohnermeldekarte für Emil Bojahr (StdA DT MK)

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