Geb. 17.07.1901 auch 1902, auch 24.06.1902, 17.07.1901 in Rozniatow (Galizien, heute: Roschnjatiw/Westukraine)

 

Religionszu­gehörigkeit: jüdisch
Eltern: Ita (Ida, Jette) Soltys-Gottlieb, geb. Bleicher (geb. 30.11.1873 in Rozniatow, 25.09.1934 nach Rotterdam) und Max (Meier Meylich) Soltys recte Gottlieb1 (01.03.1874 in Rozniatow - 09.08.1930 in Detmold), Kaufmann
Geschwister: Hermann/Chaim Soltys-Gottlieb (1897-1985)
Adolf Soltys-Gottlieb (14.07.1899 in Rozniatow-1922)
Anna (Chana) Vogelhut, geb. Soltys-Gottlieb (geb. 06.01.1906 in Rozniatow)
Bertha Schwarzbaum, geb. Soltys-Gottlieb (geb. 10.11.1909 in Detmold), Stenotypistin
Albert Soltys-Gottlieb (04.10.1911-1983), Uhrmacher
Frieda (Friedchen) Tichauer, geb. Soltys-Gottlieb (geb. 13.05.1913 in Detmold)
Schwager: Josef Leib (Leo) Vogelhut
Ehemann: Emanuel Gutwer, auch Gutfer (19.08.1896 in Przedburg - [1942])
Tochter: Gerda Gutwer (geb. 09.03.1928 in Langendreer)
Beruf: Schneiderin, Kauffrau

 

 

Wohnorte: Rozniatow
05.11.1908 Detmold, Krumme Str. 27
02.05.1925 Detmold, Bruchmauerstr. 42
15.08.1926 Langendreer, Kaiserstr. 164
1928 Langendreer, Adolfstr. 26
1930/31 Bochum-Langendreer, Auf dem Helwe 1
Langendreer, Bockholtstr. 1
27.05.1933 Detmold, Bruchmauerstr. 42
[Rotterdam], Holland
Antwerpen
Vaudreuille

 

Hedwig Bleicher gen. Soltys-Gottlieb, verh. Gutwer stammte aus Galizien, das in seiner wechselvollen Geschichte bis 1918 zu Österreich und nach dem Ende des Ersten Weltkrieges zu Polen gehörte, und zählte somit zu den sogenannten Ostjüdinnen und -juden. Sie war laut ihren Einbürgerungsunterlagen die nichteheliche Tochter von Ita Bleicher, verh. Soltys-Gottlieb. Ihre Familie war vor Not, vor judenfeindlichen Übergriffen und aus Angst vor Pogromen geflohen und war seit November 1908 unter schwierigen Bedingungen in Detmold ansässig. Ihre wiederholten Bemühungen um Einbürgerung aus dem Jahr 1919, die sämtlich abgelehnt wurden, dokumentieren ihren als nicht nur von der lippischen Landesregierung problematisch angesehenen sozialen Status als "Ostausländer". Erst 1923 erhielt die Familie ihre Einbürgerungsurkunde. Diese Einbürgerung wurde allerdings für Ita Soltys-Gottlieb und ihre noch bei ihr lebenden Töchter Bertha und Frieda im Januar 1934 widerrufen. Da Hedwig durch ihre Heirat im Jahr 1926 mit dem aus Polen stammenden staatenlosen Kaufmann Emanuel Gutwer ebenfalls als staatenlos galt, traf sie dieser Widerruf nicht mehr.

Laut eidesstattlicher Erklärung ihrer Schwester Frieda besuchte Hedwig Soltys-Gottlieb in Detmold die Schule und erlernte den Beruf der Schneiderin.1926 zog sie zu ihrem Ehemann nach Langendreer. Dort betrieben sie mit einer Angestellten ein offenbar gut gehendes Textilwarengeschäft. 1928 wurde ihre Tochter Gerda geboren. Angaben ihrer Schwester Frieda zufolge zwangen die Familie Gutwer bereits im Mai 1933 Angriffe auf das Geschäft, das u. a. mit Drohungen beschmiert und verwüstet wurde, zur Flucht. Hedwig Gutwer zog mit ihrer Tochter für kurze Zeit noch nach Detmold, während ihr Mann laut behördlichen Angaben nach Belgien ausreiste. Möglicherweise sondierte er zunächst ohne seine Familie die Möglichkeiten ihres Exils.

Mit ihrem Mann und ihrer damals fünfjährigen Tochter floh Hedwig Gutwer zunächst nach Holland (wie auch ihre Mutter und zwei ihrer Geschwister) und von dort im Jahr 1940 nach Antwerpen, wo sie laut Bericht von Frieda Tichauer vom Flüchtlingskomitee unterstützt wurden. Aus Belgien flüchteten sie nach Frankreich in die kleine Gemeinde Vaudreuille in der Haute Garonne. Von hier stammte ihre letzte Nachricht an ihre Schwester Frieda, in der sie mitteilte, in dem kleinen Ort nicht lange bleiben zu wollen. Eine erhaltene Postkarte aus Bochnia in Polen vom 1. Oktober 1941, die Anna Vogelhut über Lissabon an ihren Bruder Chaim Hermann - er nannte sich nun Soltes - in die USA sandte, zeugt von ihrer Sorge auch um ihre Schwester Hedwig und deren Familie, die sich auf keinerlei sonstige Unterstützungsmöglichkeiten berufen konnten. Chaim Hermann Soltes hatte jedoch offenbar dargelegt, seine Schwester in den USA nicht aufnehmen zu können. "Der Allmächtige soll uns jeder wieder mit unseren Lieben zusammenführen, damit unser Herz nicht so betrübt ist." So verdeutlichte Anna Vogelhut auf dieser Postkarte nicht nur ihre Not und ihre Verfasstheit, sondern wohl insgesamt die der Geflüchteten und Verfolgten.

Ein Entkommen ins rettende Ausland und damit in die Freiheit gelang der Familie Gutwer nicht. In Frankreich hatten die im März 1942 begonnenen Deportationen im Sommer 1942 ihren Höhepunkt erreicht. Hedwig, Emmanuel und Gerda Gutwer wurden im Sammel- und Durchgangslager Drancy interniert. Ein genaues Datum ihrer Einlieferung ist nicht überliefert. Aus Drancy wurde Hedwig Gutwer am 4. September 1942 mit dem Transport Nu zusammen mit ihrem Mann und ihrer Tochter, mit insgesamt 1013 Menschen in verschlossenen Viehwaggons nach Auschwitz deportiert. Lediglich zum Herausholen der toten Menschen, die die katastrophalen Bedingungen des Transports nicht überlebten, wurden ein einziges Mal auf einem Halt des Zuges die Türen geöffnet.

Als der Transport am 6. September 1942 in Auschwitz eintraf, waren zweihundert junge und arbeitsfähige Männer in Kosel, 80 km vor Auschwitz, aus dem Zug geholt worden, um in verschiedenen Lagern der Umgebung eingesetzt zu werden. Noch sechzehn Männer und 38 Frauen dieses Transports wurden als arbeitsfähig selektiert. Die anderen Menschen wurden unmittelbar nach ihrer Ankunft, wie es offiziell hieß, einer "Sonderbehandlung" zugeführt und in den Gaskammern ermordet. Recherchen ergaben, dass nur 27 von den ursprünglich 1013 Menschen aus diesem Transport überlebten. Hedwig, Emanuel und Gerda Gutwer gehörten nicht zu ihnen.

Hedwig Gutwer gilt als verschollen.

1 In Verzeichnissen zu jüdischen Namen aus Galizien verbindet das Wort recte auch den Familiennamen des Vaters und den Familiennamen der Mutter, wenn die Kinder als nichtehelich eingestuft wurden. Möglicherweise ist dies aber auch in der vom offiziell geltenden Namens- und Personenstandsrecht abweichenden Tradition der galizischen Juden begründet.

  

QUELLEN : LAV NRW OWL L 79 Nr. 490, 491, L 80.04 Nr. 1228, 1229, D 1 Nr. 14074, 14208, D 106 DT Nr. 748, 752, 754; StdA DT MK; StdA Bochum; Le Mémorial de la déporation des juifs de France, Beate und Serge Klarsfeld, Paris 1978; Arolsen Archives

 

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DOKUMENTE

 

Dokument 1

Meldekarte für Hedwig Gutwer (StdA DT MK)

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